Den größten medizinischen Effekt auf das Leben von Krebspatienten hat eine Kombination aus Physiotherapie, Massagen, Kraft-, Koordinations- und Ausdauertraining sowie Übungen zur Entspannung von Körper und Psyche. Dabei hat jede Einzelmaßnahme ihre spezielle Wirkung. Grundsätzlich gilt: Durch eine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Komponenten können individuelle Defizite der Patienten ausgeglichen werden.
Ausdauertraining: Die Basis
Aktivierung des Herz-Kreislaufsystems, Verbesserung der Sauerstoffzufuhr und der allgemeinen körperlichen Belastbarkeit sowie die Regulierung von Stresshormonen – ein regelmäßiges Grundlagenausdauertraining verbessert die Prognose von Krebspatienten.
- Laut Leitlinienempfehlungen des American College of Sports Medicine (ACSM) von Oktober 2019 ist es für Krebspatienten in Absprache mit dem behandelnden Arzt ratsam, knapp drei Monate lang dreimal in der Woche ein 30-minütiges Ausdauertraining mittlerer Intensität (z.B. Wert von 13 auf der BORG-Skala, siehe unten) zu absolvieren.
- Wer fit ist, kann nach diesen drei Monaten ein wöchentliches Pensum von 150 Minuten bei moderater Intensität oder 75 Minuten bei höherer Intensität (z. B. BORG 14) anpeilen.
Für Krebspatienten wird vor allem auch das Ausdauertraining im aeroben Bereich (d. h. mit einer Intensität, bei der man während des Trainings problemlos sprechen kann) empfohlen, weil es auch die Immunabwehr verbessern kann.
Wichtig: Ist die Grundverfassung krankheitsbedingt geschwächt, kann eine Trainingseinheit von 30 Minuten auch auf mehrere kleine Einheiten (z. B. von zweimal 15 Minuten oder dreimal zehn Minuten) verteilt und die Intensität auf BORG Skala 12 reduziert werden. Je nach Fitnesszustand beginnt man vielleicht mit kleinen Wander- und Walkingtouren, kürzeren Einheiten auf dem Crosstrainer, im Schwimmbad oder auf dem Rad. Ist die Leistungsfähigkeit schon etwas höher, eignen sich auch Joggen, Tanzen, Langlauf oder Inline Skating.
Tipp: Wenn man sich eine Ausdauersportart aussucht, die wirklich Spaß macht, hat der innere Schweinehund keine Chance.
Kraft- und Funktionstraining: Power für den Alltag
Laut ACSM-Leitlinie sollte das Ausdauertraining – unabhängig von der Therapiephase des Patienten – in Absprache mit dem behandelnden Arzt durch zwei wöchentliche Krafttrainingseinheiten ergänzt werden. Denn gezielte Wiederholungsübungen an Geräten, mit Hilfsmitteln oder schlicht dem eigenen Körpergewicht, erhöhen die Muskelkraft und die körperliche Leistungsfähigkeit, steigern die Lebensqualität unter anderem beim Fatigue-Syndrom , gleichen muskuläre Dysbalancen aus, verbessern die Koordination und können so vor Stürzen schützen. Nicht zuletzt kann Krafttraining auch einer Osteoporose vorbeugen. Deshalb wird schon in der klinischen Therapie und der Reha mit Unterstützung von Physiotherapeuten am Erhalt der Muskelkraft gearbeitet.
Für das Training zuhause gelten folgende Regeln:
- Das Workout sollte immer mit einer kurzen Aufwärmeinheit (z. B. auf einem Ergometer) beginnen , um den Bewegungsapparat zu aktivieren und das Herz-Kreislaufsystem anzuregen.
- Zuerst sollten die großen Muskelgruppen (Oberschenkel, Gesäß, Rumpf, Arme) trainiert werden, darauf folgen die kleinen Muskelgruppen.
- Ideal ist es, wenn pro Trainingseinheit fünf bis zehn verschiedene Kraftübungen mit zwei bis drei Sätzen von jeweils acht bis 15 Wiederholungen (60 Prozent des Wiederholungsmaximums) durchgeführt werden.
- Es ist darauf zu achten, dass die eingeatmete Luft bei der Anspannung der Muskeln nicht angehalten, sondern wieder ausgeatmet wird. Zwischen den verschiedenen Übungen und auch zwischen jedem Übungssatz, sollte eine kleine Pause zum Durchatmen eingelegt werden.
Koordinationstraining: das Zusammenspiel von Körper und Geist
Ein gezieltes Koordinationstraining ist für Krebspatienten von großer Bedeutung: Es beeinflusst die Wiederherstellung des Nerven-Muskel-Zusammenspiels nach der Therapie, die Verbesserung des Gleichgewichtssinns und der Körperwahrnehmung, die kognitive Aktivierung verschiedener Zentren im Gehirn, die Steigerung der Kraft und Ausdauer und die Bewältigung komplexer Bewegungsabläufe im Alltag und nicht zuletzt die Prophylaxe von Stürzen. Was bereits in Klinik und Reha mit gezielten physiotherapeutischen Übungen beginnt, sollte zu Hause fortgeführt werden. Dabei ist die wichtigste Trainingsregel: Es ist besser, häufiger am Tag für eine Dauer von fünf bis zehn Minuten zu üben als nur einmal lange und erschöpfend. Man sollte sich dabei bewusst machen, dass das Gehirn Zeit und ausreichend Schlaf braucht, um die neuen Bewegungsmuster zu erlernen und abzuspeichern. Es gibt viele Sportarten, die von sich aus Koordinationsfähigkeiten schulen. Dazu zählen zum Beispiel Tanzen, Zumba, Drums Alive oder Yogadancing, NIA (Fitness-Sportart, die verschiedene Bewegungselemente und Tanztechniken verbindet), Step-Aerobic, Ballsportarten, Training mit dem Therapiekreisel, Wackelbrettern oder dem Physioball. Idealerweise probiert man einfach verschiedene Methoden aus.
Entspannungsübungen: Abbau von Stress und Anspannung
Wer an Krebs erkrankt ist, profitiert schon ab dem Zeitpunkt der Diagnose in hohem Maße von Entspannungsübungen. Eine Auswertung von Dr. Suzanne Danhauer von der Wake Forest School of Medicine in Winston-Salem ergab, dass auch Yoga für Krebspatienten eine sehr vielversprechende Ergänzung zur Therapie sein kann. So berichteten die Teilnehmerinnen des Yogatrainings über eine Verbesserung ihres körperlichen, emotionalen, sozialen und kognitiven Wohlbefindens. Außerdem nahm die Konzentration verschiedener Biomarker für Stress wie etwa Entzündungs- und Cortisolwerte im Blut ab. Yoga, Qigong und Thai Chi haben zusätzlich den Vorteil, dass sie die Beweglichkeit und Flexibilität der Muskeln und Sehnen fördern. Es lohnt sich also, das Angebot für Entspannungsverfahren, Yoga und Co. in der Klinik bzw. in der Reha wahrzunehmen oder sich in der Heimatregion nach speziellen Kursen umzuschauen. Idealerweise integriert man das Verfahren, welches einem besonders liegt und guttut, fest in den Alltag. Eine weitere, für jeden Patienten einfach durchzuführende Entspannungstechnik ist die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen.